Kleines Glück...

 

Ich möchte über die letzten Jahre schreiben, wo ich heimlich in einen Kollegen verliebt war, es aber wieder mal nicht auf die Reihe brachte. Da ich nicht gerade die Hübscheste und ein richtiger Trauerklos bin und er drei Jahre jünger war als ich, hätte schon ich etwas tun müssen, um etwas zu erreichen. Er hatte mehr als einmal gesagt, dass er gar keine Freundin möchte. Schon gar nicht eine, die ebenfalls psychisch krank ist. Er bräuchte eine gesunde Frau. Trotzdem war er immer sehr freundlich zu mir. Offen konnte ich über meine Gefühle für ihn zu der Zeit nicht reden. 

 

Ich glaube, jeder merkte, dass etwas zwischen uns war und genau das war mir total peinlich. Warum sollte jemand mit mir alter Schachtel noch mal eine Beziehung anfangen. Die anderen lachten doch bestimmt über mich... Man sollte sich einfach nicht mehr verlieben, wenn man so alt ist.

 

Wir arbeiteten jahrelang miteinander, redeten viel über Privates und kollegial waren wir schon recht eng, aber mehr eben nicht. Er machte keinerlei Anstalten, sich privat mit mir treffen zu wollen. 

 

Das alles war die ganze Zeit emotional sehr belastend für mich und führte dann auch zu zwei psychotischen Phasen. Zuerst, als er relativ neu bei uns, und ich sehr unsicher war, was aus alledem werden würde. In dieser Zeit wollte mein Psychiater ein anderes Medikament ausprobieren.

 

Ich kam sehr aus dem Gleichgewicht, die Stimmen bedauerten mich die ganze Zeit und brachten mich zum weinen. Deshalb musste ich mich einige Wochen krank schreiben lassen und eine erhöhte Dosis des alten Medikamentes wieder einnehmen. Irgendwann ging es dann wieder und ich konnte nach Monaten wenigstens auf die ursprüngliche Dosis vom Amisulprid zurück...

 

Einige Jahre später kam es bei mir zu massiver Eifersucht auf eine neue, junge Kollegin, von der es mir schien, als hätte sie Interesse an ihm. Inzwischen sagt sie, er wäre ihr auf jeden Fall zu alt gewesen. Allerdings schätzt man ihn, wenn man sein wahres Alter nicht kennt, auf sehr viel jünger und damals wusste sie nicht, wie alt er war.

 

Ich konnte mich dann bei der Arbeit kaum beherrschen nicht zu weinen, weil in dieser Situation auch wieder die Stimmen sehr aktiv wurden und ständig versuchten, mich zum weinen zu bringen. Er merkte, denke ich, was los war, denn er kümmerte sich mehr um mich. Inzwischen arbeiteten wir aber zwar noch im selben Raum, aber nicht mehr zusammen. Ich war inzwischen in der Nähgruppe; er im Bürobereich.

 

Weil ich vor den anderen nicht die Fassung verlieren wollte, ging ich zum Psychiater, der mich dann mit Psychose krank schrieb, auch weil ich die ganze Zeit heulte. Ich musste wieder meine Medikamente erhöhen und einige Wochen zu Hause bleiben. Dieses Mal schrieb ich ihm, dass es wegen ihm und ihr war und es war dann eindeutig, dass er sich zwar um mich sorgte, aber nichts von mir wollte. Erst wollte ich die Arbeitsgruppe wechseln, weil ich dachte, die anderen hätten alles mitbekommen, aber er meinte, ich sollte das nicht tun, denn die anderen würden mich alle mögen.

 

Ich war froh, nun die Fronten geklärt zu haben, er also wenigstens genau wusste, wie ich dachte. So konnte ich nach einer Weile wieder arbeiten. Zwischen den Beiden entwickelte sich dann auch nichts. Etwa zwei Jahre später kündigte er aus familiären Gründen. Inzwischen bin ich  von Zeit zu Zeit noch lose über WhatsApp im Kontakt mit ihm. 

 

Ich fühle mich zur Zeit sehr stabil und habe mein Leben wieder im Griff. Bei der Arbeit kommen alle gut klar miteinander. Meistens macht es Spaß. 

 

Wahrscheinlich ist es für mich besser, alleine zu leben. Ich bin aber trotzdem froh, ihn kennen gelernt zu haben.