Nutztiere

 

Wir hatten immer Haustiere. Als ich ein kleines Kind war, waren aber die meisten davon für den Eigenbedarf an Fleisch gedacht. Nur die Goldfische im Teich und die Hauskatze durften leben bis ihr natürliches Ende kam, wobei die Katzen leider nach einer gewissen Zeit immer irgendwie verschwanden. Ansonsten hatten wir Hühner, Stallkaninchen und zwei Schildkröten, die zwischen den Hühnern herumliefen.

 

Ich muss damals noch recht klein gewesen sein, als ich einmal zuschauen durfte, wie mein Opa ein Huhn schlachtete. Er fing es im Hühnerstall, griff die Flügelansätze mit einer Hand, nahm es mit zum Hackklotz wo sonst das Holz gespalten wurde und legte es dort auf den Rücken während er es festhielt. Hühner halten still, wenn man sie auf den Rücken legt.

 

Dann griff er die Axt und hackte ihm den Hals ab. Kopf und Hühnerkörper fielen zu Boden und der Körper rannte kopflos und blutend noch ein Stück durch den Hof, bis er dann endgültig zusammenbrach. Es wurde mit dem Hals nach unten aufgehängt. Danach bekam es meine Oma zum überbrühen, rupfen und ausnehmen.

 

Ich war zwar, glaube ich, ziemlich durcheinander, aber Hühner weckten nicht allzu viel Empathie in mir. Vielleicht war mir in dem Alter damals auch noch nicht die Tragweite des Geschehens bewusst. Schlimmer war es, als ich später einmal mitbekam, wie mein Vater eines unserer Kaninchen schlachtete. Ich war damals schon älter und spielte immer mit ihnen im Hühnerstall, wo die Buchten für die Kaninchen standen. Dieses hatte ich von klein auf aufwachsen sehen.

 

Der Freund meiner Schwester war Sonntags zum Essen eingeladen und es sollte Kaninchenbraten geben. Mein Vater stand im Hof, nachdem er einen der Rammler ausgesucht hatte, hielt ihn an den Hinterläufen fest und schlug ihm mit einem dicken Holzpflock, den man wohl extra für solche Zwecke hatte, auf den Kopf. Er strampelte noch kurz, war aber dann sofort betäubt. Danach wurde er zum Ausbluten aufgehängt. Dazu wurde mit einem Messer die Halsschlagader durchtrennt. Später zog mein Vater als er noch hing das Fell ab und nahm das Tier aus.

 

Er schenkte mir eine Hasenpfote. Hasenpfoten sollen Glück bringen. Meine Mutter nahm mir das Ding aber nach ein paar Tagen weg. Sie meinte, es würde anfangen zu stinken. Dass ich dann Sonntags gezwungen wurde, von dem Fleisch zu essen, war noch mal eine andere Sache.

 

Mir fällt gerade ein, dass ich einmal träumte, mein Vater wollte mich umbringen und ich dann panische Angst bekam, als er einmal allein mit mir im Moor war. Damals erkannte ich das nicht, aber jetzt vermute ich, das hing möglicherweise damit zusammen, dass ich sah, wie er das Kaninchen tötete. Das hatte wohl mein Vertrauen in ihn erschüttert.

 

Ein anderes Mal, ich war vielleicht so zehn Jahre alt, war bei meinem Onkel und meiner Tante Schlachttag. Jedes Jahr im Spätherbst wurde ein Schwein geschlachtet, das übers Jahr mit Essensresten und sonstigem Futter gemästet worden war. Diesmal war ich dabei.

 

Natürlich war das eine größere Aktion. Das Ganze fand im Gehöft, unter dem Überbau zwischen Schweinestall und Wohnhaus statt. Es war ein schöner Tag mit gutem Wetter. Das Schwein wurde von meinem Onkel mit einem Seil am Hinterlauf angebunden aus dem Stall getrieben und in der Mitte des Hofes festgehalten, bis es sich beruhigt hatte. Ein richtiger Metzger war da. Er setzte ein Bolzenschussgerät auf der Stirn des Tieres an. Das Schwein brach auf der Stelle zusammen, zuckte noch mal kurz und war betäubt.

 

Danach wurde es an Ketten zu einem Balken unter dem Dach hochgezogen, was bei dem Gewicht des Tieres wohl sehr anstrengend war. Die Halsschlagader wurde zum Ausbluten angestochen und ein Eimer darunter gestellt. Nach dem Ausbluten wurde das Schwein in einem großen Steintrog gebrüht und die Borsten abgeschabt. Später schaute ich aus einiger Entfernung zu, wie das Schwein wieder an den Balken gehängt, ausgenommen und zerteilt wurde. Abwechselnd mit meiner Schwester rührte ich das Blut, damit es nicht geronn. Es wurde Blutwurst daraus gemacht.

 

Teile des Fleisches kamen zusammen mit der frischen Wurst in einen Kessel, wo alles gekocht wurde. Die Wurst wurde später zum räuchern in die Räucherkammer auf dem Dachboden gehängt. Das Kesselfleisch und die Wurstsuppe wurde zusammen von allen nach der Schlachtung verzehrt. Zuerst ekelte ich mich ziemlich, aber das Kesselfleisch schmeckte dann doch sehr lecker. Von der Suppe zu essen, konnte ich mich nicht überwinden.

 

 

Tiere zu schlachten sollte eigentlich ein natürlicher Vorgang sein, aber wenn man noch ein Kind ist, ist das noch mal etwas anderes. Das waren damals meine ersten Begegnungen mit dem Tod. Es war sehr schlimm für mich, aber den Erwachsenen schien es überhaupt nichts auszumachen, einem Tier das Leben zu nehmen. Vielleicht nahm mir auch das ein Stück weit das Vertrauen in sie.